Adventure-Tour – auf nach Méyer zu Anneliese
26. Juni 2017Deutsche Botschaft und ganz viel Port-au-Prince
30. Juni 2017Dano und Méyer lassen wir hinter uns – Port-au-Prince: Eine andere Welt
Die Nacht war himmlisch. So angenehm kühl, dass ich mich mit einer dünnen Decke zugedeckt habe. Kein anhänglicher Felix neben mir. Ein Genuss. Ich habe gut geschlafen. Bin aber schon um kurz vor 6 wach geworden. Die Welt erwacht hier mit der Natur. Vor allem die Hähne machen sich lautstark bemerkbar. Vögel singen. Grillen zirpen. Menschenstimmen sind zu hören. Das erste Motorrad fährt hupend am Haus vorbei. Weil ich nicht mehr schlafen kann – lese ich in meinem Buch.
Um 6:30 Uhr stehe ich auf und gehe zu Anneliese hinunter in die Küche. Sie ist schon früh auf, da sie einiges zu tun hat. Hier in Haiti sind im Moment Ferien – 10 Wochen Sommerferien. Dennoch muss sich Anneliese um vieles kümmern. Zeugnisse sind fertig zu machen, die Stoffe für die Schuluniform sind für die Familien vorzubereiten (für jedes Kind gibt es 1,5 qm Stoff), Schulanmeldungen für das neue Schuljahr müssen ausgefüllt werden – ohne Anneliese geht es nicht.
Wir nutzen die Zeit zu zweit und sprechen über Dano und die Entwicklung dort. Über die Erwartungen, die die Menschen an uns stellen. Über den bisherigen Verlauf des Schulbaus in Dano. Über die Finanzen für unsere Schule. Über Verantwortlichkeiten rund um den Bau und den laufenden Schulbetrieb. Es gibt so viele Themen. Wir könnten Stunden und Tage darüber verbringen. Wir frühstücken Brot mit Butter und Streichkäse – und einem frischen Ei von den Hühnern. Ich fühle mich wohl. Ein bißchen wie zuhause. Felix und ich machen noch eine Erkundungs-Tour auf dem Weg Richtung Gérard. Der Weg führt im Tal über eine Brücke mit wenig fließendem Wasser. Wir sehen Haitianer, die ihre Waren anbieten. Ansonsten viel Natur. Zerschundene Böden. Hart arbeitende Menschen. Es ist heiß. Auf dem Rückweg sehen wir uns noch die Nähschule an. Hier sind die Mädchen gerade damit beschäftigt, für ihre Abschlußprüfung zu üben – der letzte Schliff. Sie begrüßen uns herzlich. Sie lachen (etwa über uns?) und haben Spaß. Die Nähmaschinen, mit denen sie arbeiten werden bei uns als Antiquität gehandelt. Sie kommen wunderbar damit klar.
Als wir zu Anneliese in die Küche zurück kommen steht schon das Essen auf dem Tisch. Jam mit Gemüse + Fisch. Sehr schmackhaft. Wir essen gemütlich und sprechen über alles mögliche. Für 12:30 Uhr haben wir die Abfahrt vereinbart. 2 Motorad-Taxen warten auf uns. Unsere Rucksäcke sind schon gepackt. Alles ist mal wieder verstaut. Ich lasse Anneliese für meinen Freund Markanzie noch 2 Hemden da – das Hemd mit meinem Kaleidoskop-Logo, das ich ihm 2014 mitgebracht habe, trägt er laut Anneliese immer noch. Das Gepäck wird auf den Motorrädern festgezurrt. Wir sind zum Aufbruch bereit. Die Zeit bei Anneliese war kurz – aber intensiv. Ich nehme Anneliese fest in die Arme. Und verspreche ihr, dass wir bald wieder kommen. Es ist schön bei ihr. Wenn Schule ist und die Kinder und Jugendlichen da sind – ist es noch viel spannender.
John – mein Fahrer – beherrscht sein Gefährt. Der Weg von Méyer nach Port-au-Prince ist eine große Herausforderung. Es hat in der Nacht geregnet. Ich genieße es aber doch, mit ihm über die Pisten zu fahren und die Natur und die Gegend zu betrachten. Nach Leogan nimmt uns Emanuell in seinem etwas klapprigen (für unsere Verhältnisse) Pick-Up in Empfang. Gut, ihn zu sehen. Er freut sich immer, wenn wir uns begegnen – ich aus. Wir umarmen uns – er weiß, dass ich ihn gern habe. Wir wechseln wenig Worte. Mein Französisch ist leider zu schlecht (hätte ich doch früher in der Schule besser aufgepasst – und mich danach weiter mit der Sprache beschäftigt) – und außer Französisch und Kreol beherrscht Emanuell keine Sprache. Also bleibt uns das Miteinander und das Gefühl füreinander. Auch das gibt uns eine wertvolle Verbindung. Ich genieße es.
An einer Kreuzung hält Emanuell unvermittelt an. Ich traue meinen Augen nicht. Markenzie – einer der Schulleiter in der Schule in Méyer steht plötzlich vor mir. Auch mit ihm habe ich eine Herzensverbindung. Es bewegt mich sehr, ihn in die Arme zu nehmen (vor lauter Aufregung habe ich gar kein Bild von ihm gemacht). Emanuell hat uns dann durch Port-au-Prince (von Ost nach West) in unser Guesthouse gebracht. Der Verkehr hier ist abenteuerlich – schon alleine das zu erleben ist etwas sehr besonderes.
Josephine – die Hausbesitzerin – hat uns in Empfang genommen. Es ist ein sehr schönes Haus – man spürt den guten Geist, der hier herrscht. Das Haus ist mehr als großzügig. Hier werden wir uns wohl fühlen. Zimmer bezogen. Die Internet-Verbindung gecheckt – wir haben WLAN. Super. Und noch einen Sprung in den Pool. Dano und Méyer waren irgendwie anders. Aber auch das ist Haiti.
Eigentlich wollten wir uns heute Abend mit Dora treffen – die wir bei unseren Besuchen bisher jedes mal besucht haben. Sie ist eine junge Ungarin und hat ein Waisenhaus und ein Behindertenheim in der Nähe vom Hopital Espoir in Delmas geleitet. Auch sie ist eine bemerkenswerte und wunderbare Frau. Ich frage mich oft, was sie antreibt – das hier alles auf sich zu nehmen. Dann schaue ich in mich hinein – die Antwort gebe ich mir selbst. Leider hat Dora kurzfristig abgesagt, da sie wohl einen Termin wahrnehmen muss. Josephine – unsere Hausherrin – hat uns dann kurzerhand ein leckeres Nasi-Goreng gekocht. Sie hat sich zum Essen mit an unseren Tisch gesetzt – wir haben viel von ihr erfahren. Irgendwann gegen 22:00 Uhr habe ich mich dann ins Bett gelegt. Und habe wunderbar geschlafen.