Baustelle – Tag 2 –
30. Juni 2017Haiti: wir gehen. Wir kommen wieder. Hier gibt es noch etwas zu erledigen. „Dano – WIR bauen eine Schule!“
3. Juli 2017Hopital Espoir – Die Rückkehr an den Ort, an dem vieles für uns begonnen hat
Heute Morgen bin ich wieder früh aufgewacht. 6 Uhr ist irgendwie meine Zeit. Die Sonne geht auf – und scheint in unser Zimmer. Uns geht es hier wirklich richtig gut. Diese Nacht habe ich gut geschlafen. Felix hat mich in Ruhe gelassen und die Temperaturen waren auch sehr angenehm – für hiesige Verhältnisse.
Der Ablauf des Tages war noch nicht wirklich klar. Wir hatten einige Optionen. Die meisten davon haben sich leider zerschlagen – auch das ist Haiti.
Ein Fixpoint heute war der Kontakt mit Gladys Thomas – der Chefin des Hopital Espoir. Dann wollten wir uns eigentlich mit Jameson und Markens heute dort treffen und eine Tour mit den beiden zu den markanten Plätzen von Port-au-Prince unternehmen. Up to the hill – war eine Idee. Vielleicht auch mal an den haitianischen Beach. In die Familien. In eine Dance-School, an der Jameson mitwirkt. Wir hatten viele Ideen. Leider ist es dann daran gescheitert, dass die Jungs doch irgendwie keine Zeit hatten. Der Weg zu weit war. Wir keinen Fahrer bekommen haben (doch schon – aber 150 US-Dollar sind eine Menge Geld). Auch das ist typisch für Haiti. Verantwortung, Vertrauen, Verlässlichkeit – das sind nicht gerade Tugenden, die hier sehr ausgeprägt sind. Wir wollen das Beste daraus machen.
Schon der Transport vom Guesthouse zum Hopital Espoir stellt uns vor eine große Herausforderung. Hier ruft man nicht einfach mal ein Taxi an – oder steigt in die S-Bahn. Josephine – unsere Guesthouse-Chefin fährt uns zum Krankenhaus. Das hilft. Wir waren um 10:00 Uhr dort verabredet. Auch Gladys kommt – knapp eine halbe Stunde – zu spät. Nicht so schlimm. Wir haben und nehmen uns die Zeit. Gladys begrüßt uns freundlich. Sie ist noch etwas distanziert. Ist ja aber auch die Chefin eines Krankenhauses mit über 100 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen. Wir sprechen miteinander. Ich versuche ihr unser Projekt in Dano vorzustellen – bei den Haitianern ist es immer irgendwie ein Versuch. Ob sie dir wirklich zuhören, das weiß man häufig nicht. Gladys führt uns durch ganze Krankenhaus. Sie öffnet Türen, die vermutlich nicht jedem geöffnet werden. Wir sehen z.B. Frühlinge auf der Kinderstation, die mit noch nicht mal 900 Gramm auf die Welt gekommen sind. Diese kleinen Menschen haben hier eine Chance – wie bei uns auch.
Das Highlight des Tages wird aber noch kommen. Und für diese Momente bin ich so unendlich dankbar. So vielen Menschen – auch aus meinem Familien- und Freundeskreis – möchte ich dieses Erlebnis gerne mal schenken. Es ist unbeschreiblich – im wahrsten Sinne des Wortes: Man kann es nicht beschreiben – man muss es erleben.
Gladys ist mit uns im Anschluß an die Krankenhaus-Besichtigung zu Hope-Home und École-Espoir gefahren. Dort waren wir in 2013 und 2014 auch schon zu Besuch. Hope-Home ist ein Behindertenheim – École-Espoir ist ein Waisenhaus. Alles auf einem Areal. Sie ergänzen sich wunderbar. Seit gestern ist dort eine Gruppe aus den USA. Eine christliche Organisation. Sie kommen schon seit 8 Jahren – immer an diesen Ort. Junge Frauen. Etwas ältere Frauen. Ein Mann. Die Kinder hängen an ihnen. Leute – ihr solltet mal in die Augen der Gäste aus Amerika schauen. Es ist so unbeschreiblich. So erfüllend. Hier leben über 50 Kinder – ohne Eltern. Hier leben behinderte Kinder – ohne wirkliche Zukunft. Erst letzte Woche ist wieder ein behindertes Kind gestorben. Hier sind aber auch Menschen, die sich genau um diese Kinder und ihre Bedürfnisse kümmern. Da sein. Die Hand halten. Das Gefühl geben, das man gemocht wird. Auch Felix und ich haben ständig mindestens ein Kind an der Hand. Sie lassen uns nicht mehr los. Es gibt Momente an diesem Ort, da habe ich Tränen in den Augen – weil ich so getragen bin – weil wir hier mit dem Einfach-Nur-Da-Sein so viel Gutes tun können. Leider ist Dora nicht mehr hier – die Leiterin aus Ungarn, die wir die letzten Jahre hier immer getroffen haben. Sie hat sich verändert – und arbeitet jetzt für eine amerikanische Organisation. Schade. Ich hätte sie so gerne getroffen. Ich bewundere sie sehr. Sie opfert sich auf. Für diese Kinder. Für dieses Land. Ein bißchen was hat sie von Anneliese.
Gladys führt uns auch durch die neu gebaute Schule. Hier können die nicht behinderten und die behinderten Kinder gemeinsam unterrichtet werden. Ich habe von Dora beim letzten Besuch gehört, dass dieses Schulgebäude ihre Vision ist. Heute ist diese Schule Realität. Diese junge Frau hat Großes geschaffen. Ich bewundere sie sehr.
Zum Abschluß des Besuches habe ich noch unser Projekt „Bälle für Haiti“ eingebracht. Auch die École-Espoir und Hope-Home bekommen von uns wieder einen guten Ball überreicht – inklusive Ballpumpe. Der Ball ist noch nicht richtig aufgepumpt. Schon springen die Kinder los. Alles, was laufen kann – jagt dem Ball hinterher. Ich sitze da – und beobachte einfach nur. Was für eine Freude. Was für ein gutes Gefühl. Ich habe ja nur einen Ball gebracht.
Wir haben uns lange hier aufgehalten. Gladys war die ganze Zeit unter uns. Auch sie ist eine bewundernswerte Person. Sie gibt klare Anweisungen. Ob im Krankenhaus oder im Waisen- und Behindertenhaus. Der Respekt ist groß. Das spürt man. Ich erlebe, dass genau diese Orientierung und die klaren Vorgaben hier so wichtig sind. Wir müssen das ein oder andere auf Dano übertragen. Unbedingt. Nach über 2 Stunden Aufenthalt – müssen wir uns verabschieden. Ich bin so dankbar, dass wir heute hier sein durften. Hier spürt man Zuneigung. Hier spürt man Zukunft. Hier spürt man Dankbarkeit. All das wünsche ich mir auch für unsere Schule in Dano. Daran müssen wir noch arbeiten. Ich bin guter Dinge.
Gladys hat uns dann in ihrem klimatisierten Wagen zum Guesthouse zurück gebracht. Wir haben uns – jetzt herzlich – von ihr verabschiedet. Ich glaube sie hat verstanden, was auch wir hier leisten. Das wird anerkannt und honoriert.
Für den Abend hatten wir uns noch mit Dora oder auch Natacha (Haiti-Care – gerne mal googeln) verabredet. Zumindest noch ohne verbindliche Zusage. Leider wurde aus beiden Terminen nicht. Dora hat gerade ein großes Kinderprojekt am Laufen. Und Natacha konnte uns hier im Guesthouse nicht besuchen, weil es am Nachmittag stark geregnet hat. Und es wohl für sie kein Durchkommen gab. Es macht mich ein bißchen traurig. Weil beide Menschen mir doch am Herzen liegen – und ich beide so gerne getroffen hätte. Wir haben uns versprochen, dass das Treffen beim nächsten Besuch auf alle Fälle gelingen wird. Ich werde sie beim Wort nehmen – Haiti eben.
Wir ruhen uns noch etwas am (kleinen) Pool des Guesthouses aus. Dann ruft Josephine zum Mittagessen. Es ist mittlerweile halb 3. Das Essen schmeckt mal wieder vorzüglich. Die haitianische Mitarbeiterin von Josephine macht mir noch die Haare – sie macht das sehr konzentriert. Ich fühle mich wohl.
Da alle unsere ansonsten geplanten Kontakt leider nicht zum persönlichen Treffen geführt haben sind wir am Abend mit Josephine nochmal los. Wir hatten ein paar Dinge bei ihr bestellt – voranging haitianischen Rum. Kurzerhand hat sie uns einfach zum Einkaufen mitgenommen. Die Früchte und das Brot haben wir uns auf der Strasse gekauft. Den Rum gabs im Supermarket. Alles da. Fast wie bei uns. Wenn aber eine Tafel Ritter-Sport hier in Haiti ca. 360 haitianische Dollar kostet – dann sind das ca. 5 Euro. So kann man sich sicher gut vorstellen, wie sich hier die Preise verhalten. Josephine hat uns mit ihrem Wagen noch Haiti-bei-Nacht gezeigt. Eine völlig andere Welt – als die, die wir ja jetzt auch schon erleben durften. Um halb 9 sind wir dann im Guesthouse wieder eingetroffen – danke Josephine. Ein Einkaufs-Tripp mit wahnsinnig vielen Eindrücken.
Wir haben dann noch ein Bierchen getrunken. Der Rest von unserem haitianischen Rum musste auch noch weg – wir hatten zu tun. Mir war mein Blog noch wichtig. Weil der Tag für mich heute wieder mal so erfüllend war. Danke Gladys. Danke Hope-Home. Danke École-Espoir. Und danke all den Menschen, denen wir heute hier begegnen durften. Jetzt ist es kurz nach Mitternacht. Ich muss ins Bett. Morgen müssen wir uns leider auf den Heimweg machen. Die Menschen hier werden mir fehlen. Auf die Menschen zuhause freue ich mich. Ich träume heute von beidem. Hier und zuhause. Schlaft gut. Und helft uns, dass wir unsere Schule in Dano schnell fertig bauen werden – und dann viele Kinder dort Bildung und Essen bekommen. Ich träume. Genau davon!