Haiti WIR kommen – eine Anreise mit Hindernissen
25. Juni 2017Adventure-Tour – auf nach Méyer zu Anneliese
26. Juni 2017Dano – WIR bauen eine Schule. In der Tat
Nach einer von Nichtschlaf geprägten Nacht wache ich auf. Es dämmert. Die Hunde bellen. Die Hähne krähen. Und Felix ist immer noch in Dauerbewegung. Seit einigen Stunden muss ich schon auf die Toilette – also los. Ich öffne die Türe, die direkt nach draußen geht – da schaue ich einer behaarten Spinne in die Auge – so groß wie meine Faust. Ich habe kurz überlegt, ob ich schnell wieder zurück ins Bett springen soll – sie wird mir schon nichts tun. Man bin ich erschrocken. So ein Mordsvieh habe ich bisher nur im Zoo gesehen.
Um 07:30 Uhr gibt es Frühstück. Die ganze Familie – außer Mdm. Dominique – sitzt mit am Tisch und unser Dolmetscher Jameson. Es gibt Spaghetti mit einer Tomatensoße und Zwiebeln. Brötchen – irgendwie wie Fladenbrot, süßen Kaffee. Alles da, was man sich wünscht.
Direkt nach dem Frühstück brechen wir auf – wir wollen UNSERE Schule besuchen. Ich bin so etwas von aufgeregt. Für diesen Moment haben wir alle gemeinsam so viel geleistet und bewegt. Jeder Schritt ist für mich ein besonderer Schritt. Nach ca. 30 Minuten Fußmarsch sind wir da. Da steht sie nun – UNSERE Schule in Dano. Ich bin sehr bewegt – und unendlich Stolz.
Das gute Fundament ist gelegt. Das Erdgeschoß steht. Die Zwischendecke ist betoniert. Die Treppe ist installiert. Ich sage zu Pater Dominique: „Das sieht schon wie eine Schule aus!“ Hier entsteht etwas Großartiges. Wir besichtigen die Baustelle und begrüßen jeden Mitarbeiter per Handschlag und einem Lächeln. Ein inniges Lächeln kommt zurück. Diese Männer werden unsere Schule weiter bauen. Ein gutes Gefühl. Sie haben bis hierher schon gute Arbeit geleistet. Alles sieht ein bißchen anders aus, als bei uns – wir sind ja auch in Haiti.
Zum Mittagessen gehen wir wieder zu Pater Dominique – seine Frau und seine Familie, die in kleinen Hütten auf dem selben Gelände leben – kochen wunderbar für uns. Ich fühle mich zuhause – auch wenn ich in einer völlig fremden Welt bin – bei eigentlich völlig fremden Menschen. Wir sind uns nahe – nahe im Herzen. Das spüre ich.
Nach dem Essen geht’s direkt wieder zur Schule. Wir treffen uns mit Rodril – dem Bau-Ingenieur, der unsere Schule geplant hat und den Bau überwacht. Wir besprechen die aktuelle Bauphase und die nächsten Schritte. Es wird sehr schnell deutlich, dass wir noch etwas mehr Geld benötigen, um die Schule komplett fertig stellen zu können. Pater Dominique betont, dass es so wichtig wäre, die Schule zum neuen Schuljahr im September zu eröffnen. Ansonsten würden sie weitere Schüler verlieren. Die Situation insgesamt ist schwierig – und wir (also Haiti-WIR-helfen e.V.) sind wohl die Einzigen, die helfen und unterstützen können. Ich gebe zur Antwort, dass wir tun, was wir tun können. Schritt für Schritt.
Auch wenn es 2 Jahre gedauert hat – wir haben schon so viel erreicht. Das gebe ich beiden auch noch mit auf ihren Weg. Wir wissen, was wir hier alle gemeinsam auf den Weg bringen. Jeder tut, was er kann. Ich hoffe, es wird ausreichen, um diese so arme Region etwas „reicher“ – reich an Bildung und Gemeinschaft – machen zu können.
Um 17:00 Uhr machen wir und die Bauarbeiter Feierabend. Es wurde viel Eisen gebunden, Holz gesägt, Steine getragen und Putz an die Unterseite der Treppe geworfen. Alles von Hand und mit Körperkraft. Maschinen kommen hier nicht zum Einsatz. Die knapp 20 Mann haben hart gearbeitet. Der Weg zu Pater Dominiques Haus gibt mir die Zeit, nochmal diesen Tag zu reflektieren. Es ist ein Tag, den ich in meinem Leben sicher nicht mehr vergessen werde. Und – der Tag ist ja noch nicht zu Ende.
Jameson und Pater Dominiques Söhne Mardochee und Osee nehmen uns mit zu einem Bachlauf (der bei Starkregen zu einem Fluß anwächst) – was für einen Erfrischung. Wir sitzen wie kleine Kinder im Wasser, spritzen uns nass, waschen uns – und freuen uns an diesem so besonderen Moment. Gemütlich gehen wir nach Hause – auch wenn wir dann wieder so verschwitzt sind, wie vorher – das war ein tolles Erlebnis.
Mme Dominique hat uns wieder ein leckeres Abendessen zubereitet – Reis mit brauner Bohnensoße, Polenta und Gemüse. Im Anschluß haben wir uns mit Pater Dominique und Jameson zu einem Meeting verabredet. Wir sitzen im Esszimmer – und durchleuchten das gesamte Schulbauprojekt. Wir legen eine Prioritätenliste für die nächsten Monate und Jahre fest – und wir erarbeiten das Budget für einen organisierten Schulbetrieb. Lehrergehälter (die leider schon seit 2 Jahren ausstehen), Personalkosten, Schulspeisung, Schuluniform, Lehrmaterial, Prüfungsgebühren, usw. – es wird eine große Herausforderung werden, die Schule in Zukunft auf einem guten Niveau zu betreiben. Wir werden nach Lösungen suchen – und wir werden (hoffentlich) die richtigen Lösungen finden. Wir werden aber Unterstützung benötigen – das wird mir in diesem Moment mehr als bewußt. Wir sammeln noch weitere Daten und Informationen und denken über die Möglichkeiten nach, die kommenden Aufgaben zu bewältigen.
Es wird uns viel Anstrengung abverlangen – es wird es (zumindest mir) aber auch Wert sein.
Wir alle sind müde – von diesem besonders intensiven Tag. Felix und ich – nehmen noch einen letzten Schluck aus unserer Haiti-Rum-Flasche. Soll ja gegen alles helfen. Felix liegt vor mir im Bett. Es ist heiß – und Felix beginnt mit seinen Hoppel-Aktivitäten. Das verspricht wieder eine unruhige Nacht. Ich lese noch ein paar Seiten. Und schlafe dann doch irgendwann ein. Ein guter Tag geht zu Ende.